Als das Motorrad laufen lernte
Früher war auf den Talstraßen kaum motorisierter Verkehr. Erst nach und nach kamen Motorräder und Autos nach Dörlinbach. Der Verkehr war überschaubar und beschaulich zugleich. Zu den ersten Automobilen im Ort gehörten unter anderem DKW’s mit Holzkarosserie, deren Türen sich von vorne nach hinten öffneten. Später rollten erste VW-Käfer über Dörlinbachs Straßen.

Nach dem Krieg verbreitete sich der Käfer mit Heckantrieb weiter, aber nun auch NSU-Modelle wie der Prinz und Kleinstwagen wie das Goggomobil, kurz Goggo genannt. Aus jenen Jahren, als kaum motorisierter Verkehr auf den Straßen und Wegen unterwegs war, kursieren heute noch erstaunliche Geschichten im Ort, die vor allem bei Familientreffen immer wieder gerne die Runde machen. Und meist betreffen diese Geschichten fast ausschließlich die Zweiradfahrer.
Geschichten, die teilweise heute undenkbar wären. So wie zum Beispiel eine Heimfahrt von Alois Schätzle sen. (1890 bis 1960). Der Geschäftsmann kehrte im Gasthaus „Zum Ochsen“ in Wittelbach ein, wo er offensichtlich zu tief ins Glas geschaut hatte. Alkoholkontrollen und Fahruntüchtig waren zu jener Zeit noch „Fremdwörter“ im Tal. So konnte er auch problemlos seine Weiterfahrt antreten. Mehr noch: Die Wirtsleute setzten ihn auf sein Motorrad, schoben in an und telefonierten mit Schätzles Zuhause, dass er jetzt unterwegs sei. In den Erzählungen heißt es immer wieder, das Motorrad kannte ja den Weg. Und tatsächlich kam er unfallfrei auf dem Motorrad sitzend in Dörlinbach an. Erst vor der Haustüre fiel das Motorrad mit ihm um – direkt vor dem bereits Spalier stehenden „Empfangskomitee“.
Mit dem Motorrad die Treppe hoch
Anders erging es hingegen Schätzles zweitältestem Sohn Karl bei einer Heimfahrt, bei der allerdings kein Alkohol im Spiel war. Seine Fahrt nach Hause wurde in Schuttertal abrupt gestoppt. Er war einfach beim Gasthaus „Zum Adler“ viel zu schnell in die Kurve eingefahren. Doch Karl Schätzle legte sein Maschine nicht auf den Boden, stützte also auch nicht, er wusste sich überraschend gut aus der misslichen Situation zu retten. Seine Rettung war nämlich ein in der Kurve stehendes Wohnhaus mit einer ziemlich hohen Eingangstreppe. Er konnte tatsächlich das Motorrad so abfangen, dass es ihm gelang mit ihm die Stufen nach oben zu fahren. Dadurch wurde das überschüssige Tempo so gedrosselt, dass er tatsächlich mit der Maschine oben an der Haustüre zum Stehen kam.
Nicht schlimm, ich habe ja noch ein Ersatzbein
Und noch eine Heimfahrt eines Dörlinbachers sorgte für Gesprächsstoff. Diesmal ist der Protagonist Wilhelm Singler (1914 bis 1998), der in Wittelbach einmal mit seinem Motorrad stürzte. Singler lag auf der Straße und eine Frau eilte hinzu. Und die bekam einen Mordsschrecken, denn eines seiner Beine lag abgetrennt etwas weiter weg von dem Verunglückten. Singler schrie zur Überraschung der Frau nicht einmal vor Schmerzen und seine Reaktion schockte sie noch mehr. Er lachte nämlich und entgegnete der Frau, dass sie sich keine Sorgen um ihn machen müsse. Es sei nicht weiter schlimm, er habe ja noch ein Ersatzbein zu Hause im Schrank stehen. Was die Frau nicht wissen konnte: Singler war Kriegsinvalide und trug ein Holzbein.
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