Die erste Chorleiterin

Über 70 Jahre im Dienste der Musica Sacra

 

 

Den Kirchenchor, der wie die neue Pfarrkirche St. Johannes im Jahre 1923 aus der Taufe gehoben wurde, gibt es nicht mehr. Lange Zeit war die musikalische Leitung des Chores eine reine Männersache – angefangen von Karl Schwarz über Alwin Dohler, Karl Brettle, Anton Lang und Otto Beck bis hin zu Anton Meßner.

Franziska Schüssele begeisterte schon als Organistin und Sängerin, bevor sie den Dirigentenstab von Otto Beck (rechts) übernahm.

Doch danach dominierten die Frauen am Dirigentenpult. Zuletzt Agathe Backes, davor Margarete Harder und am längsten Franziska Schüssele, die ein Großteil ihres Lebens dem Orgelspiel und Chorgesang widmete. Die Liebe von Franziska Schüssele (1924 bis 2019) zur Kirchenmusik zeigte sich bis ins hohe Alter. Die 90 längst überschritten spielte sie noch nahezu täglich auf ihrem Harmonium zu Hause am Unterrain. Bereits als 20-Jährige übernahm sie hin und wieder die Kirchendienste an der Orgel.

Im Bild zwei wichtige Stationen im Leben von Franziska Schüssele: Im Vordergrund rechts die Zigarrenfabrik, hinten in der Bildmitte die Pfarrkirche St. Johannes.
Zwei Jahre bevor Franziska Schüssele als Chorleiterin aufhörte bekam die Pfarrkirche 1990 eine neue Orgel. Eine neue Herausforderung für Schüssele, die auch als Organistin tätig fungierte, war sicherlich die Umstellung von der alten Stehle-Orgel zur neuen Winterhalter-Orgel.

Im Jahre 1938 gab es gleich zwei Einschnitte in ihrem noch jungen Leben. Sie war gerade einmal 14 Jahre alt als sie dem Kirchenchor als aktive Sängerin beitrat. Zugleich absolvierte sie ein sogenanntes Landjahr, in dem es für sie eine kinderreiche Familie zu unterstützen galt. Wie die meisten jungen Mädchen ging Franziska Göppert (so ihr Geburtsname) anschließend in die Zigarrenfabrik Ermeler. Mit Kriegsbeginn kam schließlich eine ganz neue Tätigkeit auf sie hinzu. Die Männer zogen in den Krieg, nur noch wenige waren im Ort. Dies führte dazu, dass die junge Frau die Lebensmittelkartenausgabe auf dem Dörlinbacher Rathaus übernahm. Eine Tätigkeit, die sie auch noch nach Kriegsende weiterführte. Sie blieb, bis ihr Vorgänger aus der Gefangenschaft nach Dörlinbach und somit auch an seinen früheren Arbeitsplatz zurückkehrte. Danach ging es für sie zurück in die Zigarrenfabrik und aus Franziska Göppert wurde schon kurz darauf Franziska Schüssele. Denn am 11. November 1950 heiratete sie Andreas Schüssele (1918 bis 1997).

Alphornmesse des Sohns ein Höhepunkt

Franziska Schüssele hat stetig unter ihrem Chorleiter Otto Beck das Orgelspiel verfeinert und war im Kirchenchor sowie bei der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste eigentlich nicht mehr wegzudenken. Kirchenmusik war zu einem wichtigen Bestandteil ihres Lebens geworden. Und so war es nahezu selbstverständlich, dass Franziska Schüssele nach dem Tod von Otto Beck die musikalische Leitung des Chores übernahm. Ein Höhepunkt ihres choralen Schaffens war sicherlich die Aufführung der Alphornmesse – ein Werk ihres ältesten Sohns Franz Schüssele (siehe dazu auch unter Blog-Beitrag „Geniale Musiker und Instrumentenbauer“). Ihre letzten großen musikalischen Herausforderungen waren die feierliche Orgelweihe im Oktober 1990 (siehe dazu Blog-Beitrag „Die Königin der Instrumente“) sowie die anlässlich zum Patrozinium im Juni 1991 erstmals in der Pfarrkirche aufgeführte Turmbläsermesse. Im Jahr darauf gab sie die musikalische Leitung an Margarete Harder ab. Die offizielle Verabschiedung war Ende März 1992. Kurios: Weder Franziska Schüssele als auch ihre bereits im Dienst befindliche Nachfolgerin Margarete Harder (hatte bereits ihren ersten Einsatz im Februar mit dem Chor) konnten diesen Termin nicht wahrnehmen. So wurde Schüssele in Abwesenheit (war in Kur) zur Ehrenchorleiterin ernannt. Im Chor war jedoch noch nicht Schluss. Franziska Schüssele sang weiter als Sopranistin im katholischen Kirchenchor der Sankt-Johannes-Gemeinde mit und half auch immer wieder einmal als Dirigentin aus – bis zu ihrem 88. Lebensjahr. Sie sagte einmal: Gottesdienste, die vom Chor mitgestaltet werden, seien für sie immer ein besonderes Geschenk. Zuvor wurde ihr im Februar 2008 noch einmal eine große Ehre zuteil. Sie wurde ausgezeichnet für ihre lange Tätigkeit in der Liturgie, dem Singen zur Ehre Gottes sowie auch der Gestaltung von Gottesdiensten – über einen Zeitraum von sieben Jahrzehnten.

Warten bis Franziska ein Lied anstimmt

Bis ins hohe Alter hinein war die langjährige Dirigentin und Sängerin geschätzt und stets ein gern gesehener Gast bei den Alten- und Seniorennachmittagen der Pfarrgemeinde. Von jenen Veranstaltungen ist ein immer wiederkehrender Satz überliefert: „Wir warten bis Franziska ein Lied anstimmt.“ Ende Juli 2019 verstarb Franziska Schüssele im Alter von 95 Jahren.

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