Seltene und ungewöhnliche Namen
Familiennamen gibt es in Deutschland seit etwa 800 Jahren. Angefangen hat es mit Familiennamen bereits im neunten Jahrhundert in Venedig, wo es nachweislich die ältesten Familiennamen gibt. Es ging einfach darum, durch einen zweiten Namen die Person eindeutig zu identifizieren. Weit länger gibt es hingegen natürlich die Vornamen. Jahr für Jahr werden heutzutage Listen veröffentlicht, welches die beliebtesten Vornamen eines Jahres waren oder sind.

Die Zeiten ändern sich, die Geschmäcker, aber manchmal gibt es auch eine Art Renaissance für alte, klassische Vornamen wie zuletzt im Jahre 2022. So tauchten beispielsweise alte Klassiker wie Luise, Thea oder Lotte wieder auf. Wir wollen aber einmal einen weiten Blick zurückwerfen in das 17., 18. und 19. Jahrhundert. Und da entdecken wir Außergewöhnliches in Dörlinbach. Damit sind jedoch nicht Anna, Maria, Theresia, Rosina, Verena, Johannes, Anton, Andreas, Roman, Josef oder Wilhelm gemeint, die seinerzeit fast in jeder Familie auftauchten. Sondern Namen, die alleine schon von ihrer Herkunft her nicht alltäglich waren.
So taucht beispielsweise Ende des 18. Jahrhunderts der Name Panthaleon hier im Ort auf. Panthaleon Kulosch (Lebensdaten nicht bekannt) war ein österreichischer Soldat, der mit Maria Magdalena Ketterer (1781 bis 1836) zusammen war. Der Name Panthaleon (auch Pantaleon geschrieben) wurde schon in der Antike verwendet. Er ist griechischen Ursprungs und bedeutet „All-Erbarmer“ , „ganz mitfühlend“ beziehungsweise „der ganz Barmherzige“. Die Schreibweise hat sich im Laufe der Jahrhunderte mehrmals verändert. Zum Beispiel Pantaleon, wie auch Mitte des dritten Jahrhunderts ein frühchristlicher Märtyrer und Heiliger hieß. Pataleon war der Leibarzt des Kaisers Maximilian. Um das Jahr 305 starb er dem Martertod zu Nikomedien.
Aloisyus und Wenzelaus
Besser bekannt ist sicherlich der Name Aloisius, was vor allem auf die Geschichte des bayerischen Schriftstellers Ludwig Thoma vom grantigen Engel Aloisius zurückzuführen ist. Auch hier im Ort gab es im 19. Jahrhundert einmal einen Aloisyus – allerdings mit „y“ geschrieben. Er entstammt aus einer Familie, die von etlichen Schicksalsschlägen heimgesucht wurde. Aloisyus lernte seine Brüder nie kennen. Der ältere Bruder Johann starb 1886 im Alter von sieben Wochen. Der jüngere Bruder Alois im Jahre 1893 in der fünften Lebenswoche. Und Aloisyus selbst, der 1889 verstarb wurde nur fünf Wochen alt.
Außergewöhnlich für den Ort war sicherlich auch der männliche Vorname polnischer Herkunft Wenzelaus. In besagtem Fall übrigens auch der dazugehörige Familienname. Wenzelaus Okurka (Lebensdaten nicht bekannt) stammte aus Frankreich und war einst Kürschner in Paris. Er war im 19. Jahrhundert mit Christine Hupfer (geboren 1838 / Sterbedatum nicht bekannt) aus Dörlinbach verheiratet. Gemeinsam hatten sie im Jahre 1865 einen Sohn, der ebenfalls den Namen Wenzelaus erhielt. Dieser verstarb jedoch im Alter von vier Monaten.
Euphrosine und Albertina
Auch bei den weiblichen Vornamen gab es in jener Zeit nicht Alltägliches. Heiterkeit und Frohsinn stehen für Euphrosyne, ein Vorname griechischer Herkunft. In Dörlinbach taucht dieser Name in der Schreibweise Euphrosine auf. Euphrosine Gerber (1841 bis 1865) aus Forchheim bei Endingen heiratete im Jahre 1864 den Dörlinbacher Wendelin Müllerleile (geboren 1839 / Sterbedatum nicht bekannt). Wendelin Müllerleile heiratete ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Frau Euphrosine ein weiteres Mal und wanderte drei Jahre später nach Amerika aus.
Bei Albertina denken viele vielleicht an bedeutende Kunstmuseen und Institutionen, weniger an den Vornamen eines Mädchens. Sicherlich auch dem geschuldet, dass Albertina ein ausgesprochener seltener Name war und ist. Sozusagen ist Albertina ein besonderer Name, der aus dem Althochdeutsch kommt und „die vornehm Glänzende“ bedeutet. Maria Anna Albertina Singler (1843 bis 1886) trug hier im Ort einen solchen Namen. Sie heiratete im Jahre 1865 Bernhard Offenburger (1833 bis 1902). Mädchen, an diese sie vielleicht den Namen weitergeben hätten können, hatten sie allerdings nicht. Auch keine Jungs, die sie Albert (männliche Form von Albertina) taufen lassen konnten. Sie waren kinderlos. Es war übrigens früher gängige Praxis, dass vor allem in kinderreichen Familien mindestens ein Kind den Vornamen seiner Mutter oder seines Vaters trug. Bei Geschäftsleuten sogar bis ins 20. Jahrhundert hinein.
Crescentia – Kreszentia – Creszentia
Weit mehr verbreitet war hingegen der Crescentia. Der weiblicher Vorname kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Wachstum“ beziehungsweise „Aufblühen“. Crescentia Adam (1737 bis 1817), die im Februar 1777 Simon Ohnemus (1739 bis 1808) ehelichte, trug beispielsweise diesen inzwischen recht selten gewordenen Namen. Der Name taucht im 19. Jahrhundert auch mit unterschiedlichen Schreibweisen auf. Beispielsweise bei Kreszentia Ohnemus (1828 bis 1858), die im Juni 1863 den Landwirt und Waldhüter Josef Göppert (1827 bis 1893) heiratete. Eine Weitergabe des Namens war nicht möglich, da sie nur männliche Nachkommen hatten. Gar keine Kinder hatten Josef (1855 bis 1893) und Kreszentia Göppert, eine geborene Hupfer (1845 bis 1929). Und Wagner Wilhelm Albert Göppert (geboren 1841 / Sterbedatum nicht bekannt) und dessen Ehefrau Kreszentia (Lebensdaten nicht bekannt) hatten eine Tochter, die allerdings Elisabetha getauft wurde. Eine weitere, veränderte Schreibweise trifft auf Creszentia Schüssele 1832 bis 1841) zu, die am 9. Juni mit ihrer Familie nach Nordamerika ausgewandert und am 10. August des gleichen Jahres bei einem Schiffsunglück auf dem Eriesee zu Tode gekommen ist. Gleich drei Dörlinbacher Auswanderer-Familien kamen bei dieser Schiffskatastrophe ums Leben (mehr dazu unter Blog-Beitrag „Schicksale fern der Heimat“).
Rufina und Protas
Aber auch zum Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten immer wieder einmal seltene und außergewöhnliche Vornamen auf. Zu einer Zeit, wo Maria, Anna. Franziska und Katharina zu den beliebtesten Mädchennamen gehörten. Eine stach jedoch heraus: Rufina Griesbaum (geboren 1883), die 1908 einen Schweighausener Bürger heiratete, der ebenfalls einen seltenen, eher ungewöhnlichen Vornamen trug. Denn Protas ist wesentlich verbreiteter als Familienname. Rufina zog schließlich nach der Heirat zu ihrem Protas Reith in das benachbarte Bergdorf. Der Name Rufina kommt ursprünglich aus der lateinischen beziehungsweise römischen Sprache und bedeutet „die Rothaarige“. Bleibt nur noch zu klären, ob die aus Dörlinbach stammende Zigarrenmacherin tatsächlich auch rote Haare hatte.
Pankratius
Zu guter Letzt noch ein seltener männlicher Vorname, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hier im Ort noch präsent war: Pankratius Deibel (1925 bis 1943), der als Soldat (Schütze) am 5. Oktober 1943 bei Mesamasheik in Russland gefallen ist. Der Name Pankratius stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „allmächtig“ oder „allgegenwärtig“. Es gibt auch einen Heiligen mit diesem Namen: Der heilige Pankratius (um 290 bis 304) war ein römischer Märtyrer der frühen christlichen Kirche und zählt zu den fünf Eisheiligen..
Sehr beliebt waren um 1900 die Mädchennamen Maria und Anna. Auf diesem Foto der Zigarrenmacherinnen der Filiale Krämer sind fünf junge Frauen mit dem Namen Maria und vier mit dem Namen Anna abgebildet. Vielleicht die Kleinste, aber jene die bei den Vornamen herausragt ist zweifelsohne Rufina Griesbaum (vorne, mit Kind), die einen außergewöhnlichen und zugleich selten Namen trägt.
Seltene und ungewöhnliche Vornamen im 17., 18. und 19. Jahrhundert waren in Dörlinbach unter anderem: Panthaleon, Aloisyus, Wenzelaus, Euphrosine, Albertina, Crescentia, Kreszentia, Creszentia, Rufina und Protas.
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