Madonna mit Kind

Ein Überbleibsel aus dem alten Kirchlein

 

 

Das alte Dörlinbacher Kirchlein, das im Jahre 1132 der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht und 790 Jahre später trotz verschiedener Einwände von Denkmalpflegern und dem kirchlichen Bauamt in einer Art Nacht-und-Nebel-Aktion abgerissen wurde, ist dennoch auch heute noch präsent. Und das bezieht sich nicht nur auf altes Bildmaterial, sondern auf einen wertvollen Schatz, der bis heute noch nicht die passende Wertschätzung fand.

Die Madonna mit Kind ist seit 1922 in Privatbesitz. In der rechten Hand der Gottesmutter, wo heute eine gelbe Rose drin steckt, befand sich früher ein Zepter. Das Jesuskind hatte in seiner linken Hand eine Weltkugel. Zepter und Weltkugel sind verloren gegangen.

Eigentlich dürfte es diesen Schatz gar nicht mehr geben, aber dank Appolonia Ohnemus (1897 bis 1978) existiert heute noch eine 129 Zentimeter große Madonna mit Kind, die einst in der Dreifaltigkeitskapelle ihren Platz hatte. Offensichtlich stellte besagte Madonna für die damals Verantwortlichen des Abbruchs keinen Wert da – weder ideell noch historisch. Niemand interessierte sich dafür, außer Apollonia, die sich seinerzeit als Messnerin um das Kapellchen kümmerte und die Madonna vor einer möglichen Zerstörung rettete, indem sie sie mit zu sich nach Hause nahm.

Die Madonna mit Kind ist seit 1922 in Privatbesitz. In der rechten Hand der Gottesmutter, wo heute eine gelbe Rose drin steckt, befand sich früher ein Zepter. Das Jesuskind hatte in seiner linken Hand eine Weltkugel. Zepter und Weltkugel sind verloren gegangen.
Die Madonna mit Kind wurde 1922 beim Abriss der Dreifaltigkeitskapelle von Apollonia Ohnemus gerettet und ist seither in Privatbesitz. Die Kronen sind separat gefertigt und aufgesetzt.

Dort im „Hisle“, wie Apollonias Wohnhaus unterhalb der Kirche im Ort genannt wurde, fand die Figur ein ehrendes Plätzchen auf einem Tisch in ihrem Schlafzimmer. Wie alt die Madonna mit Kind ist vermag niemand genau zu sagen. Aber solche Mariendarstellungen kamen vor allem im 17. und 18. Jahrhundert auf. Es handelt sich dabei um eine stehende Muttergottes, die eigentlich in der rechten Hand ein Zepter hält. Heute steckt jedoch eine gelbe Rose darin. Das in Marias rechten Hand gehaltene Zepter ist nämlich nicht erhalten. Auf ihrem linken Unterarm sitzt das Jesuskind, das in seiner linken Hand ursprünglich eine Weltkugel hielt. Auch diese Weltkugel ist leider nicht mehr vorhanden. Das Kind umstrahlt ein göttlicher Glanz. Eine Herrlichkeit, die auch Maria umstrahlt, die den Gottes- und Menschensohn als „lebendigen Thron“ trägt und der Welt darbietet. Daher befinden sich auf deren Häuptern auch Kronen, die separat gearbeitet und aufgesetzt wurden und bis heute noch erhalten sind. Dieses möglicherweise frühbarocke Werk stellt somit Maria somit als Königin dar mit Krone und Zepter und dem Königskind auf dem Arm. Und Jesus trägt als Zeichen seiner Herrschaft die Krone ebenfalls auf dem Kopf und die Weltkugel in der Hand.

Der Zustand

Die alte Dörlinbacher Madonna ist übrigens nicht aus massivem Material gearbeitet beziehungsweise aus Holz geschnitzt. Vermutlich befindet sich unter dem Kleid der Gottesmutter eine Art Drahtgestell. Aufgesetzt sind der Kopf, auch der des Jesuskindes. Ebenso die Hände der beiden, die teilweise an einigen Fingern etwas brüchig sind. Die Köpfe hingegen sind relativ gut erhalten. Die Kleider, die Madonna und Kind tragen, sind vermutlich von Appolinia Ohnemus selbst genäht worden. Damit dürfte sie wohl die Gottesmutter und das Jesuskind eingekleidet haben, nachdem sie das Werk aus dem alten Kirchlein gerettet hatte. Wenn man das Kleid der Gottesmutter anhebt, kommt darunter ein älteres Gewand in blau mit goldenen Zierfäden zum Vorschein. Vermutlich das Originalkleid. Auch das Jesuskind trägt unter seinem Kleid ein weiteres. Die aktuell sichtbaren Kleider sind jedenfalls auch schon fast 100 Jahre alt, der Stoff scheint teilweise auch etwas brüchig zu sein. Ein hellblaues Band, das Maria um ihr Kleid trägt, ist inzwischen farblich verblast. Es ist auch zu vermuten, dass sowohl die Gottesmutter als auch das Kind einmal eine Art Schleier getragen haben, darauf deutet zumindest eine kleine Halterung am Hinterkopf hin. Ungewiss ist auch, ob sich unter oder am Sockel einmal eine Mondsichel befand. Früher war dies bei diesen Darstellungen nämlich oft der Fall, diese wurden und werden noch heute Mondsichelmadonna genannt. Auch wenn das Gesamtwerk heutzutage einige Blessuren und Mängel aufweist, so hat das Ensemble Madonna mit Kind noch immer eine bemerkenswerte Ausstrahlung.

Seit 1922 in Privatbesitz

Aber einen würdigen Platz in der in den Jahren 1922/1923 erbauten Sankt-Johannes-Kirche fand das Werk nie. Dabei wäre es bei der großen Renovation fast dazu gekommen. Nach dem Tod von Appolonia Ohnemus im Jahre 1978 kümmerte sich Johanna Franziska Faißt, geborene Ohnemus (geb. 1940), um die Madonna mit Kind. Dem Werk stand dadurch nur ein kleiner Umzug bevor, allerdings nur zwei Häuser weiter, wo es bis heute steht und aufbewahrt wird. Im Zuge der Kirchenrenovation im Jahre 1982 zeigten sowohl Bruno Dilger (1935 bis 2016), damals Vorsitzender der Pfarrgemeinde, als auch Hermann Josef Rothweiler (geb. 1939), der seinerzeit den Mesnerdienst und dem versah, Interesse an dem „Nachlass“ des alten Kirchleins. Es wurden Gespräche geführt und man wurde sich auch einig. Die Madonna mit Kind sollte aus dem Privatbesitz aber nur an die Pfarrgemeinde zurückgehen, wenn in der Pfarrkirche St. Johannes ein entsprechend würdiger Platz für sie gefunden werde. Madonna und Kind verließen auch zunächst in einer eigens angefertigten Transportkiste das Haus. Doch das Ansinnen, in der frisch renovierten Kirche einen geeigneten Platz zu finden, scheiterte. Offensichtlich deshalb, weil aus Sicht der Verantwortlichen sowie des kirchlichen Bauamts die Madonna mit ihrem Kind nicht in die neugestaltete Kirche passen würde. Bei dieser Entscheidung dürfte der renovierungsbedürftige Zustand eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die historische Bedeutung hingegen wurde wohl komplett außer Betracht gelassen. Und so kam es, dass die Madonna mit Kind wieder zurück in Privatbesitz ging.

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