Säcklistrecker Gugge Dörlinbach

Erscheinungsbild mehrfach geändert

Ursprünglich sollte in Dörlinbach eine „Säcklistrecker-Zunft“ gegründet werden. Entstanden ist schließlich im Juni 1979 die „Bremsdorfer Narrenzunft“. Als es jedoch in den 1980er-Jahren darum ging, eine Musikgruppe zu gründen, kam dann doch der „Säcklistrecker“ zum Zuge. Es sollte eine Guggemusik nach Schweizer Vorbild werden, so das Ansinnen der Befürworter. Zu ihnen gehörten insbesondere Vorstandsmitglied Anton Rappenecker und Martin Ross, der auch zum ersten musikalischen Leiter der Guggemusik wurde.

Säcklistrecker Gugge

Zur Eröffnung der Fasentsaison 1984/85 war es dann soweit: Unter den Dach der Bremsdorfer Narrenzunft zeigten sich erstmals die „Säcklistrecker Gugge“, wie sie sich letztlich nannten. Die Maske war in dieser Gegend schon etwas gewöhnungsbedürftig. Hergestellt in einem Basler Larven-Atelier zeichnete sie sich schließlich durch ihre Schlitzohrigkeit aus. Schließlich sollte die Maske einen „Säcklistrecker“ darstellen. Wert gelegt wurde daher auch auf entsprechende „Pfussbacke“. Die Haarpracht war füllig, zottelig, hell und blond. Das Markante an der Kleidung waren zweifelsohne die mit Hosenträgern getragene „Ribilihose“.

Säcklistrecker Gugge
Säcklistrecker Gugge

Sie würden etwas brav daherkommen, wurde hier und da Kritik nach den ersten Umzügen laut. Doch das sollte sich bald ändern. Die „Säcklistrecker“ boten schon bald nicht nur auf der Bühne und bei den Umzügen eine fetzig-laute Show, sondern auch abseits. Dafür sorgten vor allem die mitgebrachten „Metzgerssäckle“, prall gefüllt mit Wurst, Brot und vielem mehr. Die „Säcklistrecker Gugge“ wurden zu dem Werbeträger schlechthin für die Zunft. Im Oktober 1988 wurde erstmals zu einem Internationalen Guggemusik-Festival nach Dörlinbach eingeladen. Deren folgten zwar viele, aber es blieb mit Abstand das größte seiner Art. Denn nicht weniger als 17 Guggemusiken aus Deutschland und der Schweiz nahmen daran teil. Bei der fünften Auflage gab es eine Besonderheit: Die erste Internationale Guggemusik-Königin wurde im Rahmen dieses Festivals gewählt.

Es kam eine Zeit der Auf und Ab’s und die Guggemusik veränderte sich in ihrem Erscheinungsbild. Zunächst waren es die Haare, die 1994 buchstäblich einen geordneten Haarschnitt bekamen und in Schwarz. Eine Zeit lang waren sowohl „blonde“ als auch „schwarze“ Wuschelköpfe bunt gemischt bei Auftritten der Guggemusik zu sehen. Die nächste Änderung im Jahre 2007. Das Äußere entfernte sich zusehends vom Urspungsgedanken eines „Säcklistreckers“. Fortan trugen die frisch gestylten „Säcklistrecker“ einen roten Mantel mit schwarzem Kragen.

Die größte Veränderung sollte allerdings erst zwei Jahre später kommen. Sie hatte jedoch nichts mit dem äußeren Erscheinungsbild zu tun, sondern mit der Gruppierung selbst. Nach dem Narrentreffen 2009 spaltete sich die Guggemusik von der Bremsdorfer Narrenzunft ab und schon kurz darauf wurde ein eigener Verein gegründet, zu dessen Vorsitzender Klaus Winterer gewählt wurde. Die Eigenständigkeit bescherte der Guggemusik auch neuen Aufschwung. Benjamin Beck übernahm 2014 den Vorsitz von Klaus Winterer. Und bereits ein Jahr später wurde mit Christoph Göppert, Sascha Lauer und Pascal Tessmer ein Vorstands-Team gebildet.

Es war zugleich das Jahr, indem sich die „Säcklistrecker Gugge“ einem erneuten „Facelifting“ unterzogen. Das Erscheinungsbildern tendiert nun klar hin zu Guggemusiken vom Hochrhein und der Schweiz. Denn die Masken wurden völlig neu gestaltet. Deren Markenzeichen sind einen großen breit geöffneten Mund, große Nasenlöcher und einen Strohhut obendrauf. Seither tragen die frisch gestylten „Säcklistrecker“ auch eine neue Weste unter dem Mantel. Und seit der Saison 2016 gibt es zudem auch noch ein Frauen-Häs.

Der Brauch der den „Säcklistreckern“ den Namen gab

Das „Säcklistrecke“, ein alter Brauch, der eigentlich bis in die 1980er-Jahre in Dörlinbach nie in Vergessenheit geraten war, jedoch seinerzeit nur noch selten ausgeübt wurde, bekam Mitte der Achtziger wieder Aufschwung. Antrieb hierfür waren einige Burschen der „Säcklistrecker Gugge“, die den Brauch mit ihrer fasnachtlichen Figur nicht nur verkörperten, sondern ihn auch zu neuem Leben erweckten. Sobald sie erfuhren, dass irgendwo im Dorf ein Schwein geschlachtet wird, machten sich die Burschen auf den Weg. Mit dabei stets ein langer Stecken, an dem besagtes Säckchen befestigt wurde. In diesem Säckchen befand sich der Spruch, wie er von alters her immer geschrieben wurde:

 

Guten Abend Ihr lieben Metzgersleut!

Es spricht sich herum, dass Ihr schlachtet heut.

Unsere Sau ist leider immer noch nicht fett,

deshalb bin ich bei Eurem Schlachtfest keck.

Ich würde es sonst sicher nicht wagen,

ein so schweres Säckchen heimzutragen.

Die Sau war bestimmt an die vier Zentner schwer,

so schadet es Euch garantiert nicht sehr,

wenn Ihr etwas in meinen Sack hinein

etwas von diesem armen Schwein.

Ich möcht Euch ja nicht belästigen oder schaden,

doch hätt ich auch gern ein Stück von dem Braten.

Auch eine frische Wurst ist recht,

sonst wird Euch das Zeug doch alles schlecht.

Ihr könnt jetzt beruhigt in Eure Betten gehen.

Ich danke Euch recht herzlich, Aufwiedersehn!“

Diese „Säcklistrecker“-Sprüche gab es mit der Zeit in mehreren Variationen, teils der Zeit angepasst. Eines durfte allerdings nie fehlen: der Humor. So wurde beispielsweise in einem anderen Spruch um eine Bratwurst gebeten, die dreimal um den Ofen herum und zum Fenster hinaus bis in das Säckchen reicht.

Zum Prozedere: In den Abendstunden gehen die „Säcklistrecker“ zu dem Haus, in dem geschlachtet wird. Heimlich versteht sich. Unbemerkt wird dann der Stecken mit dem Säckchen vor die Haustüre, beim Küchenfenster oder auch beim Kellerfenster hingestellt. Ehe die Burschen verschwinden, machen sie sich durch Poltern oder Klingeln bemerkbar. Nun beginnt für die Burschen die Zeit des lagen Wartens. In den kalten Wintermonaten bedeutet dies für die „Säcklistrecker“ erst einmal einen wärmenden Ofen aufzusuchen. Oft lässt die Gruppe auch einen Aufpasser zurück, der die anderen alarmiert, wenn das Säckchen gefüllt ist.

Was passiert in dieser Zeit im Haus? Die Leute holen das „Säckli“ herein. Dieses wird selbstverständlich gefüllt, denn es nicht zu füllen , wäre für die Hausschlachter eine große Schande. Man würde von dem Geiz der Leute überall im Ort erzählen. Also wird das Säckchen mit allerlei hausgemachter Wurst und auch mit Fleisch gefüllt. Aber auch die Hausschlachter haben Humor. Der eine oder andere macht sich ein Spaß, indem er auch mal eine „Säägmehl-Wurst“ hinzu tut.Ein Schabernack bei dem der Darm mit nassem Sägemehl gefüllt gefüllt wird – immer wieder eine gelungene Überraschung für die „Säcklistrecker“.

Draußen schmieden derweil die Burschen Pläne, wie sie das gefüllte Säckchen unbemerkt zurückholen können. Dies ist nicht immer einfach, denn die Leute passen natürlich auf. So kann sich die Abhol-Aktion die ganze Nacht oder gar noch länger hinziehen. Das Risiko für die „Säcklistrecker“ ist schlichtweg erwischt zu werden. Dann nämlich wird der oder die „Gefangene“ in die Küche geführt. Mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen müssen sie sich an den Tisch setzen, um einen oder mehrere Teller voll Fleisch, Wurst oder zumeist auch eine „Metzgersuppe“ restlos auf- beziehungsweise leerzuessen. Für die Hausschlachter eine Gaudi, vor allem wenn der Hausherr den erwischten „Säcklistrecker“ beim Suppen schlürfen kräftig nachhilft, indem der dessen Schnauzbart (sofern vorhanden) in der Suppe baden lässt.

So war es von alters her, aber ganz so streng ging es in den 1980er-Jahren dann doch nicht mehr zu. Die Brauchtumsregel wurde nicht mehr so eng gesehen, so dass oft der Erwischte zu einem gemeinsamen „Metzgerschmaus“ ins Haus gebeten wurde. Neu war auch, dass nun auch Mädchen beim „Säcklistrecke“ mit dabei waren. Der Brauch flammte somit im Ort wieder auf, fast ein Jahrzehnt lang. Aber mit dem Rückgang der Hausschlachtungen durch neue Richtlinien, war diese Flamme bald wieder erloschen.

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